Fehler im Mordfall Fabian: Wurde ein wesentlicher Hinweis der Mutter übergangen?

Fehler bei Ermittlungen? Wirbel um Detail von Mutter von toten Fabian (8)

Die Ermittlungen um den getöteten Jungen lösen Kritik aus. Auch ein Fehler der Staatsanwaltschaft ist bestätigt.Als die Mutter des achtjährigen Fabian am Freitagnachmittag (10. Oktober) von der Arbeit nach Hause kommt, ist ihr Sohn verschwunden.Laut Nordkurier-Informationendurfte der Junge an diesem Tag zu Hause bleiben, weil es ihm nicht gut ging. Darauf verständigten sich die beiden laut der Mutter (siehe ihre Stellungnahme oben im Video).Mutter erhebt Vorwürfe gegen die PolizeiVon Anfang an soll die Mutter nach Nordkurier-Informationen und eigener Darstellung ein schlechtes Bauchgefühl gehabt haben, was die Umstände seines Verschwindens angeht. Sie soll sofort von einem Fremdverschulden ausgegangen sein. Die Polizei habe demnach vor allem beschwichtigt. Die Ermittlungsbehörden machen keine Angaben darüber, wann genau von einem Verbrechen ausgegangen wurde oder diese Möglichkeit frühzeitig im Fokus der Ermittlungen stand.

Mordfall Fabian: Ermittler durchsuchen Mülldeponie

Groß angelegte Suche – Spuren, die sich verlierenNach der Vermisstenmeldung starteten Einsatzkräfte eine großangelegte Suche. Polizei, Feuerwehr und Suchhunde durchkämmten die Stadt Güstrow und die Region drumherum. Spürhunde schlugen am Inselsee an, was zu Untersuchungen im Uferbereich führte. Eine weitere Spur führte in Richtung des Wohnorts des Vaters, verlor sich jedoch im Wald.Im Wald bei Klein Upahl: Ex-Partnerin findet LeicheAm Dienstag nach seinem Verschwinden wurde Fabian tot in einem abgelegenen Waldstück bei Klein Upahl entdeckt. Eine Frau, nach Recherchen des Nordkurier die Ex-Freundin des Vaters, will diemittlerweile freigegebene Leichebeim Spaziergang gefunden haben. Gegenüber unserer Redaktion erklärte sie: „Ich war mit meiner Freundin, weil es ihr nicht gut ging, im Wald spazieren.“ Dabei seien die Frauen plötzlich auf den Kindskörper gestoßen. Finderin, Fundort und der persönliche Zusammenhang sorgen seitdem für Diskussionen – insozialen Netzwerkenwie auchbei Angehörigen.

Mord an Fabian (8): Polizei durchsucht Mülldeponie | Regional | BILD.de

Warum wurde die Leiche nicht vergraben? Profiler äußert sichDas liegt auch an denBrandspuren im Gras. Klar war nach Obduktionsbericht undDNA-Analyse: Es handelt sich um Fabian. „Wenn Kinder getötet werden, beginnt die Spurensuche meist im nächsten Umfeld des Kindes“, erklärt Profiler Axel Petermannin der „Bild“. Statistisch gesehen würden solche Taten oft im familiären oder nahen sozialen Umfeld geschehen. „Traurigerweise spielt familiäre Gewalt dabei eine große Rolle“, so der Experte. In Trennungsfällen komme es oft zu emotionalen Eskalationen, insbesondere wenn einer der Partner die Trennung initiiert hat.Laut Kriminalexperten besteht bei Tötungsdelikten an Kindern auch statistisch ein hoher Anteil an Tätern aus dem direkten familiären oder sozialen Umfeld. Das erklärt, warum Ermittlungen zuerst dort ansetzen. Im Fall Fabian äußerten sich Ermittler bisher nicht konkret dazu, wen sie im Blick haben. Der „Verein für Vermisstensuche und Detektivarbeit“ äußerte zuletzt einen ähnlichenVerdacht wie die Experten.Mehr noch: Dass die Leiche nicht vergraben wurde, sondern lediglich versteckt lag, deutet laut Profiler Petermann darauf hin, dass der Täter in Eile handelte. Solche Einschätzungen bleiben allerdings hypothetisch, solange keine Festnahme erfolgt. Sie beruhen allein auf Wahrscheinlichkeiten – die Ermittlungen könnten in diesem Fall am Ende auch etwas anderes ergeben.

Polizeieinsatz auf Grundstück: Alle Details zu den Ermittlungen rund um  Fabian

Durchsuchung eines Agrarbetriebs in Reimershagen: Staatsanwaltschaft informiert inkorrektZuletzt gab es zwei größere Durchsuchungen. Am Donnerstag (23. Oktober) wurde eineMülldeponie von den Ermittlern ins Visier genommen. Am Montag (20. Oktober) durchsuchten Ermittler einen landwirtschaftlichen Betrieb in Reimershagen. Einsatzkräfte rückten dort mit Bagger, Schaufeln und Metalldetektoren an.Nach Nordkurier-Informationen ging es um die Suche nach der Tatwaffe, mutmaßlich ein Messer.In der offiziellen Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft hieß es, dass es einen Einsatz in Zehna und nicht Reimershagen gegeben habe. Das ist nach Nordkurier-Informationen falsch, Reimershagen ist acht Kilometer entfernt von Zehna und eine eigene Gemeinde. „Tatsächlich befand sich der betroffene Betrieb in Reimershagen. Es handelte sich um eine fehlerhafte Ortsbezeichnung“, berichtigt sich die Staatsanwaltschaft auf Nachfrage.

Fabian aus Güstrow: Polizei durchsucht Gelände eines Reiterhofs | News |  BILD.de

Gibt es eine Spur, der nicht konsequent nachgegangen wurde?War das der einzige Fehler? Ein Hinweis aus Bützow sorgte im Laufe der Ermittlungen für Unruhe: Dort war angeblich ein Mann aufgefallen, der versucht haben soll, ein Grundschulkind anzusprechen. In den sozialen Medien entstanden rasch Vermutungen über eine Verbindung zu Fabians Verschwinden. „Wenn ein Fremder in der Nähe ein anderes Kind anspricht, muss die Polizei versuchen, diese Person zu ermitteln. Das ist eine Spur, der man nachgehen muss“, so dasUrteil von Profiler Petermann.Ob – und wenn ja, wann – Ermittler dieser Spur folgten, ist unklar. Für Kritiker ergibt sich daraus der Eindruck: Ansätze wie dieser wurden nicht sofort, nicht ausreichend oder auch gar nicht bewertet beziehungsweise verfolgt.Warum schweigt die Polizei? Versteckte Taktik könnte die Strategie seinEs gibt aber auch Gründe, die das Schweigen der Ermittler verständlicher erscheinen lassen. In einem Berichterklärt ein Kriminalwissenschaftler, woran es liegen kann, dass die Ermittler im Fall Fabian auffällig unauffällig agieren. Demnach könne die Zurückhaltung Absicht sein, sagt Christian Matzdorf, Professor für Kriminalistik mit Schwerpunkt Kriminaltechnik an der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin (HWR Berlin) gegenüber dem Portal Ippen. Zum Schutz der Ermittlungen solle bei so einer Taktik verhindert werden, dass Details öffentlich werden, die Verdächtige warnen oder ihre Aussagen anpassen könnten. „Die Ermittler haben Spurenlagen, Hinweise, Zeugenaussagen und den Fundort, die kontinuierlich ausgewertet werden. Die Situation kann sich durch neue Spuren oder kriminalistische Erkenntnisse jederzeit ändern“, so der Experte.

Mordfall Fabian: Jetzt äußert sich die Staatsanwaltschaft

Manchmal laufen Ermittlungen also bewusst still ab, was nicht bedeutet, dass im Hintergrund nichts passiert. Auffällig ruhig arbeiten und kommunizieren die Ermittler und Behörden im Fall Fabian. Die mögliche Logik dahinter laut dem Kriminalisten: „Die Polizei verfolgt eine Vielzahl von Theorien gleichzeitig, die systematisch überprüft und entweder bestätigt oder widerlegt werden müssen“, erklärt der Uni-Professor. Sie werde „verschiedene Ansätze testen, um schließlich eine tragfähige Schwerpunkttheorie entwickeln zu können“, meint Matzdorf.Polizei und Staatsanwaltschaft geben nur spärlich Informationen herausDie Polizei bat die Öffentlichkeit auch in der letzten Pressemitteilung um Verständnis, dass zu Details der Ermittlungen derzeitig keine Angaben gemacht werden können. „Grund für die Zurückhaltung ist einzig und allein der Umstand, dass die laufenden Ermittlungen nicht durch vorschnelle Medienauskünfte behindert oder erschwert werden sollen“, heißt es darin. Die letzte Information der Staatsanwalt gegenüber dem Nordkurier war: Eine Festnahme gebe es bisher nicht, einen dringend Tatverdächtigen ebenso wenig.Die mutmaßliche Annahme bei dieser Taktik: Zurückhaltung führt potenziell dazu, dass Verdächtige dann eher sprechen, sich sicher fühlen oder sogar Fehler begehen. Diese Kommunikationsstrategie ist Polizei-Routine und erzeugt gleichzeitig Frust in der Öffentlichkeit. Denn die Strafjustiz hat nicht nur eine öffentliche Funktion und handelt als Teil des Staates, sondern hat auch eine Verpflichtung, die Öffentlichkeit über das eigene Handeln transparent auf dem Laufen zu halten. Die Gefahr dabei ist, dass das Handeln der Behördendie Angst und Sorgen in der Bevölkerungeher befeuert als beruhigt.Die schwierige Balance für die PolizeiWährend Angehörige und viele Menschen in der Region eine schnelle Aufklärung herbeisehnen, müssen Ermittler abwägen zwischen mehr Information statt Diskretion, die den Ermittlungen schaden könnte, und mehr Stille, die wiederum Vertrauen kosten kann.

Mordfall an Fabian (8) erschüttert Güstrow: Ermittler schweigen noch. |  Regional | BILD.de

So oder so bleiben für Beobachter des Falls kritische Fragen: Wurde früh genug mit kriminaltaktischen Maßnahmen begonnen und wurde das Gefühl der Mutter nicht sofort als ernstzunehmende Option in dem Fall herangezogen? Gerade weil Fabians Leichein relativer Nähe zu wichtigen Bezugspunktenentdeckt wurde, stehen diese Fragen im Raum. Und: Wurde wirklich allen ernsthaften Hinweisen intensiv und adäquat nachgegangen wie im Bützower Beispiel?Für die Familie bleiben Trauer und der Wunsch nach Antworten.Mittlerweile ist Fabians Leiche freigegeben.Seine Eltern und Angehörigen können sich nun von ihm verabschieden.Für die Öffentlichkeit bleibt der dringende Wunsch nach der Gewissheit, dass ein Straftäter nicht mehr frei herumläuft.